Beitragsfreies Kindergartenjahr ab 2008, Schulreform orientiert sich am Elternwillen, Abschaffung der Studiengebühren gegenfinanziert

Unter dem Titel "Zukunft der Bildung" beschloss der SPD-Landesparteitag Niedersachsen am 10.06.2006 das neue Bildungskonzept als Grundlage fpr die Landtagswahl 2008. Das Programm deckt von der vorschulischen Betreuung über die Hochschulen bis zur Weiterbildung alle Bildungsbereiche ab.

Das Konzept ist komplett durchfinanziert: So sollen im Jahr 2008 rund 250 Millionen Euro mit Schwerpunkt auf der frühkindlichen Bildung investiert werden. Dazu wird unter anderem ein Teil der Mittel eingesetzt, die dem Land aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer und aus dem Subventionsabbau zufließen. Das Konnexitätsprinzip wird strikt beachtet. Die SPD-Vorschläge sollen nach einem Sieg bei der Landtagswahl ab 2008 stufenweise umgesetzt werden. Zuvor ist jedoch eine breite öffentliche und innerparteiliche Debatte geplant, die in einen Beschluss des SPD-Landesparteitages am 10. Juni diesen Jahres münden wird.Beitragsfreies Kindergartenjahr ab 2008, Schulreform orientiert sich am Elternwillen, Abschaffung der Studiengebühren gegenfinanziert

Unter dem Titel Zukunft der Bildung hat der SPD-Landesvorstand im Februar 2006 ein umfassendes Konzept zur Bildungsreform vorgelegt, das von der vorschulischen Betreuung über die Hochschulen bis zur Weiterbildung alle Bildungsbereiche abdeckt. Das Programm wurde von einer Projektgruppe unter Leitung des Landtagsabgeordneten Wolfgang Wulf nach intensiven Gesprächen mit Fachleuten aus dem In- und Ausland entwickelt.

Das Konzept ist komplett durchfinanziert: So sollen im Jahr 2008 rund 250 Millionen Euro mit Schwerpunkt auf der frühkindlichen Bildung investiert werden. Dazu wird unter anderem ein Teil der Mittel eingesetzt, die dem Land aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer und aus dem Subventionsabbau zufließen. Das Konnexitätsprinzip wird strikt beachtet. Die SPD-Vorschläge sollen nach einem Sieg bei der Landtagswahl ab 2008 stufenweise umgesetzt werden. Zuvor ist jedoch eine breite öffentliche und innerparteiliche Debatte geplant, die in einen Beschluss des SPD-Landesparteitages am 10. Juni diesen Jahres münden wird."Unser Reformkonzept ist von drei Leitgedanken getragen", sagte der SPD-Landesvorsitzende Garrelt Duin:

Wir brauchen eine Bildungsrefom, die sich an den Interessen der Kinder orientiert, nicht an ideologischen Glaubenssätzen oder dem Streit über Schulstrukturen. Wir müssen die starren Grenzen zwischen den einzelnen Bildungsgängen aufweichen und so individuelles Fordern und Fördern ermöglichen. Wir brauchen ein Konzept, das gemeinsam mit den Betroffenen umgesetzt werden kann. Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Jüttner ergänzte: "Die Zeiten, in denen Bildungsreformen am Grünen Tisch entworfen und dann obrigkeitsstaatlich durchgesetzt wurden, müssen vorbei sein. Denn nur Bildungseinrichtungen, mit denen sich Schüler, Lehrer, Eltern und außerschulische Partner gleichermaßen identifizieren, können auf Dauer erfolgreich sein."

Die wichtigsten Vorschläge im Überblick:

Frühkindliche Bildung

Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass über die späteren Bildungschancen schon im Kleinkindalter entschieden wird. Gerade in den ersten drei Lebensjahren der Kinder werden die Eltern in Deutschland von Staat und Gesellschaft jedoch allein gelassen. Es gibt weder ausreichend Krippenplätze, noch gut strukturierte Beratungsangebote für die Eltern. Deshalb will die SPD die Eltern als erste Experten bei der Erziehung ihrer Kinder gezielt unterstützen. Schon während der Schwangerschaft sollen erste Beratungsangebote greifen. Modellprojekte wie das Hebammen-Programm zeigen, dass eine aufsuchende Beratung, die neben medizinischen auch sozialpsychologische und pädagogische Aspekte umfasst, höchst erfolgreich sein kann. Solche Angebote können auch dazu beitragen, Fälle von Missbrauch oder Verwahrlosung früher als bisher festzustellen.

In den westdeutschen Bundesländer haben nur 2,7 Prozent aller Kinder im Alter bis zu drei Jahren einen Platz in einer Kinderkrippe, in Niedersachsen sind es noch weniger. Bei vielen Kindern fehlt deshalb der für die frühkindliche Entwicklung entscheidende Kontakt zu Gleichaltrigen; gerade allein erziehende Eltern müssen ihren Beruf länger als gewollt aufgeben. Bis zum Jahr 2013 will die SPD deshalb schrittweise den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz einführen. Vor allem im ländlichen Raum setzt sie zudem auf den Einsatz von gut qualifizierten Tagesmüttern (und -vätern), deren Einsatz von den Kommunen koordiniert werden soll.

Jedes fünfte Kind in Niedersachsen besucht keinen Kindergarten. Für finanziell schlecht gestellte Familien und solche mit Migrationshintergrund sind die Gebühren oft abschreckend. Um einen Anreiz für den aus pädagogischen Gründen unverzichtbaren Kindergartenbesuch zu schaffen, soll das erste Jahr ab 2008 beitragsfrei sein. Angesichts der gerade in den ersten Lebensjahren rasant verlaufenden kindlichen Entwicklung ist das als erster Schritt sinnvoller, als die Beitragsfreiheit für das letzte Jahr. Bis 2018 soll das Land die Kosten auch für das zweite und dritte Kindergartenjahr übernehmen. Im letzten Kindergarten-Jahr erhalten die Eltern zudem ab 2008 die Möglichkeit, ihr Kind an zwei Terminen bereits im fünften Lebensjahr einzuschulen. Die frühkindliche Sprachförderung in den Kindergärten soll massiv ausgebaut werden.

Die SPD will nicht nur die Finanzierung der Kindertagesstätten umstellen, sondern ihnen langfristig auch eine völlig neue Struktur geben. Die Kindergärten sollen ab 2008 beginnend in sozial problematischen Stadtteilen Schritt für Schritt zu Einrichtungen ausgebaut werden, in denen die Eltern Unterstützung aus einer Hand bekommen: In zunächst 50 Familienzentren, die sich eng an das in Großbritannien sehr erfolgreiche Modell der Early Excellence Centers anlehnen, sollen beispielsweise Kinderärzte, Jugend- und Sozialämter sowie nicht-staatliche Einrichtungen wie Kunst- und Musikschulen zusammenarbeiten. Die enge Kooperation der verschiedenen Fachleute schafft nicht nur Synergieeffekte und hilft dadurch Kosten einzusparen. Sie bündelt vor allem die bislang kaum überschaubare Vielzahl von Beratungs- und Betreuungsangeboten und macht sie damit für die Eltern besser nutzbar.

Grundschule / Primarstufe

Die Arbeit der Kindergärten und Grundschulen soll besser verzahnt werden. Grundschul-Lehrkräfte sollen auch in Kindertagesstätten und Kindergarten-Beschäftigte in Grundschulen mitarbeiten. Außerdem will die SPD den Übergang zwischen beiden Bildungseinrichtungen in Form einer flexiblen Eingangsstufe neu gestalten. Je nach Entwicklungsstand der Kinder soll die Einschulung im Alter zwischen fünf und sechs Jahren erfolgen, um so ein optimales Fördern und Fordern zu ermöglichen. Die neue Eingansstufe umfasst die ersten beiden Schuljahre und kann in einem, zwei oder drei Jahren absolviert werden. Die Kinder lernen in der Eingangsstufe in gemischtaltrigen Gruppen - ein Prinzip, das sich in zahlreichen europäischen Ländern für das Lernen lernen bewährt hat.

"Gemeinsame Schule" - Sekundarstufe I

Die SPD will im Falle einer Regierungsübernahme keine neue Schulreform von oben verordnen. Nichtsdestotrotz strebt sie eine langfristig orientierte, strikt an den Bedürfnissen vor Ort ausgerichtete Weiterentwicklung des Schulsystems an. Beginnend im Jahr 2008 wird sie Gemeinsame Schulen einrichten, in denen alle Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen fünf bis zehn gemeinsam unterrichtet werden. Diese Schulen, die die starren Grenzen der Dreigliedrigkeit aufbrechen, sollen strikt auf das Prinzip des individuellen Forderns und Förderns verpflichtet werden. Die Umwandlung von bestehenden Schulen des dreigliedrigen System in diese Schulform neuen Typs soll aber nur dort stattfinden, wo eine Mehrheit der Eltern das wünscht. Die Gemeinsame Schule soll in enger Abstimmung mit lokalen außerschulischen Partnern einen binnendifferenzierten Unterricht anbieten und wird als Ganztagsschule geführt. Mittelfristig wäre es auch denkbar, Gemeinsame SchulenGemeinsame Schule spricht auch die demografische Entwicklung. Das dreigliedrige Schulsystem in seiner jetzigen Ausprägung wird sich auf Dauer im ländlichen Raum nicht finanzieren lassen.

Sekundarstufe II und Berufliche Bildung

Die Vorbereitung auf das Abitur soll nach den Vorstellungen der SPD wie bislang in Gymnasien oder in gymnasialen Oberstufen, die an eine Gemeinsame Schule angliedert sind, im Rahmen einer Profil-Oberstufe erfolgen. Schülerinnen und Schüler, die die allgemeine Hochschulreife erlangen wollen, sollen jedoch schon im letzten Schuljahr an der Gemeinsamen Schule individuell vorbereitet werden. Die SPD steht zu dem bildungspolitische Ziel, die Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre zu verkürzen.

Die Berufsbildenden Schulen sollen als regionale Kompetenzzentren in noch engerer Kooperation mit Kammern, Arbeitgebern und Gewerkschaften gestärkt werden. Vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten insbesondere für lernschwächere Schüler sollen sie verstärkt Ausbildungsgänge mit geringerem Theorie- und höheren Praxisanteil anbieten.

Hochschulen und Weiterbildung

Alle vorliegenden Prognosen gehen von einem massiven Anstieg der Zahl der Studierenden bis zum Jahr 2020 aus. In den nächsten fünf Jahren wird die Zahl der Studierenden in Deutschland um 25 Prozent steigen und dann auf diesem Niveau bleiben. Angesichts des in vielen Branchen schon heute bestehenden Mangels an hoch qualifizierten Fachkräften muss die im internationalen Vergleich viel zu niedrige Studierquote in Deutschland weiter gesteigert werden. Soziale Hürden vor Studienbeginn müssen abgebaut werden, deshalb will die SPD die Studiengebühren in Niedersachsen nach der Landtagswahl 2008 abschaffen.

Der rasante technische Wandel stellt neue Herausforderungen auch an das System der Weiterbildung. Wenn die Menschen lebenslang lernen sollen, muss der Staat gewährleisten, dass entsprechend qualifizierte Angebote vorgehalten werden. Der weitaus größte Teil des Weiterbildungssektors ist heute privat finanziert und wird es angesichts der begrenzten staatlichen Ressourcen auch in Zukunft bleiben. Der Staat muss aber für Transparenz auf diesem für die Nachfrager gegenwärtig in vielen Bereichen undurchschaubaren Markt sorgen und Instrumentarien der Qualitätssicherung einführen. Die vom Land (mit-)finanzierten Einrichtung der Erwachsenenbildung müssen ihre Angebote in enger Kooperation mit Schulen und Hochschulen stärker differenzieren und an den Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren. Dabei sollten sie angesichts des demografischen Wandels verstärkt gezielte Angebote für Seniorinnen und Senioren machen.